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Klaus Schlesinger (1937 - 2001) · Biografie · Berlin · Karte · Alexanderplatz

Alexanderplatz



Natürlich habe ich gleich an den Bau unseres Fernsehturmes denken müssen, dessen Wachstum ich Ende der Sechziger auf dem Weg zum Kindergarten meines ältesten Sohnes jeden Morgen und jeden Abend verfolgen konnte. Wie waren die Herren damals stolz, als endlich die Kugel montiert werden konnte, die im Zentrum der Stadt vom Triumph sozialistischer Technik ebenso zeugen sollte wie von der Schöpferkraft unserer führenden Partei, an deren Spitze, Sie erinnern sich, damals der Genosse Walter Ulbricht stand.
Segment für Segment fügte sich innerhalb von, ich glaube, vierzehn Tagen zu einem kugeligen, beinahe kristallinen Gebilde, und als es fertig montiert war und als es der erste Sonnenstrahl traf, formte sich an seiner äußersten Stelle, weithin sichtbar, ein blendendes Kreuz aus purem Licht, und es strahlt so lange, bis seine Quelle hinte den Dächern von Berlin verschwand.
Sankt Walter nannten wir fortan höhnisch, was nach dem Willen der Abteilung Agitation und Propaganda unter uns einfachen Leuten eigentlich Telespargel hätte heißen sollen. Manche sagten auch Die-Rache-der-Marienkirche, auf den mittelalterlichen, neben dem Monument nun so unscheinbar wirkenden Christentempel verweisend. Es hieß, Architekt Henselmann habe gegenüber der Parteiführung bedauernd, aber jede Schuld von sich weisend, die Schultern gehoben.
Optik hätte er lernen sollen.

Quelle: Von der Schwierigkeit, Westler zu werden. Berlin: AtV, 2000. S. 172.



Kotte steht auf, streckt sich, grinst Niketta und Jakob an, steigt über den Rand des Brunnens, hinein in das klare Wasser, in dem Papierfetzen schwimmen und, Schiffchen gleich, zwei leere Eisbecher.
Schön kalt, ruft Kotte und schwankt unmerklich. Langsam zieht er eine Runde um den bunten Emailfries, der den höher liegenden, siebzehn Kupferschalen tragenden Mittelaufbau begrenzt.- Mach mal, ruft Jakob, wir wollen noch was trinken!
Kotte nickt abwesend mit dem Kopf, wendet ihn dann nach oben, als schätze er die Nähe der letzten, weißschaumiges Wasser spritzenden Kupferschale. Dann stemmt er sich auf das Mittelpodest und von dort weiter auf die unterste der spiralförmig aufwärtsführenden Schalen.
- Mensch, ruft Niketta, kuck mal!
- Der ist verrückt, sagt Jakob. Der ist völlig verrückt.
Kotte steht aufrecht inmitten des weißsprühenden Wasserstrahls, holt tief Luft und macht einen weiten Schritt nach vorn, auf die weite kupferne Schale, von dort auf die dritte und weiter und weiter. Die Gitarre verstummt, Kotte hört nur das zischende Geräusch des Wassers und spürt Kälte auf seinem Körper. Er muß seine Füße bedachtsam setzen, die Schalen sind glatt.
Hol ihn doch runter, sagt Niketta zu Jakob, das geht doch nicht gut.
- Was soll ich denn machen, sagt Jakob. Soll ich vielleicht hinterher?
Kotte, auf der zehnten Schale, wächst mit den mächtigen Gebäuden um ihn herum, noch sieben Schritte, da steht er wasserumbraust auf der letzten, sechs oder acht Meter über dem steinernen Platz.



Ganz gerade steht Kotte und sieht hinunter, sieht in Hunderte ihm zugewandte Gesichter, hört zwischen dem brausenden Geräusch des Wassers teils ermunternde, teils korrigierende Zurufe. Kotte wendet sich langsam, in seinem Kopf saust und braust es, seine Beine aber sind wie abgestorben von der Kälte. Kotte hebt beide Hände und schlägt sie über seinem Kopf zusammen; von unten hört er ein lautes Gebrüll, er sieht, wie eine Gitarre geschwenkt wird, aber als er versucht, Jakob zu entdecken, verschwimmt es ihm vor den Augen, und er hat Mühe, sich aufrecht zu halten. Dann holt Kotte tief Luft, wendet sich abermals und beschreitet langsam den Weg zurück. Runter ist schwerer als ruff. Kotte muß siebzehn lange Schritte machen, dann springt er von der letzten Schale auf das Mittelpodest, von dort in das äußere Wasserbecken. Die Leute machen ihm grinsend Platz, als er über den Beckenrand steig, Kotte sieht Jakobs rotgerahmtes Gesicht und Niketta, die den Kopf schüttelt, und er lacht und prustet, Wasserbäche stürzen aus seinen Haaren, kein trockener Faden ist mehr an seinem Körper, einer von den jungen Leuten fragt laut und unter dem Gelächter der Umstehenden: Na, wie war'n die Luft da oben?, dann sieht Kotte etwas Graugrünes sich durch die Menge schieben, Litzen, Silberzeugs und schwarze Umhängetasche, und er hört eine Stimme, und die sagt:
- Ihren Ausweis bitte!

Quelle: Alte Filme. Rostock: Hinstorff Verlag, 1987. S. 85f.

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